Gudrun Langner – Wie ich wieder laufen lernte


Hallo,

ich bin Gudrun und komme aus einem Dorf im Harzer Vorland! Ich liebe die Natur, gehe gern wandern und wir haben einen großen Garten, den mein Mann und ich gemeinsam bestellen und aus dem wir viele Monate frisches Gemüse ernten.

Ich bin gelernte Kauffrau und habe bis zu meinem Schicksalstag sehr gern gearbeitet, größtenteils im Außendienst mit eigenem Firmenwagen. Ich bin sehr ehrgeizig und hatte immer Freude daran, selbstständig zu arbeiten. Mein größter privater Wunsch war immer, einmal den Jakobsweg in Spanien zu gehen und über Wochen mit Minimalgepäck in der Natur zu sein.

In meinem Leben ist alles anders gekommen. Auf dem Weg ins Büro bin ich frontal mit einem anderen Auto zusammengefahren. Ein junger Mann hatte sich einen Sportwagen ausgeliehen und wollte in Schlangenlinien das Fahrverhalten des kleinen Flitzers testen!

Dieser Unfall hat mein Leben durcheinandergewirbelt. Ich hatte schlimme Trümmerbrüche linksseitig und war fast ein halbes Jahr in einer Rehaklinik. Auf dem Weg der Besserung ist mein linker Oberschenkel wegen schlechter Erstversorgung wieder gebrochen und das Bein brauchte ein weiteres halbes Jahr für die Heilung.

Ich war am Ende. Keine Pläne zu haben, und nicht zu wissen, wie mein Gesundheitszustand sein wird, wenn alle Trümmerbrüche ausgeheilt sind, haben mich tieftraurig gemacht. Nachts konnte ich nicht schlafen und mich plagten Zukunftsängste! Materiell waren die Sorgen nicht so gravierend, aber ich wusste nicht, wo zukünftig mein Platz im Leben sein wird.

In kleinen Schritten habe ich langsam wieder ins Leben zurückgefunden. Viele Spaziergänge im Wald haben mir gezeigt, wie schön die Natur ist und wie toll die Jahreszeiten im Harz sind! Ich habe gelernt, den Ärzten respektvoll gegenüberzutreten, aber Diagnosen auch kritisch zu hinterfragen.

Die Prognose, zukünftig nur mit einem Stock als Hilfsmittel gehen zu können, habe ich von Anfang an für mich in Frage gestellt. Ich habe gelernt, dass wir Menschen alle verschieden sind und dass es auch jeder selbst ein Stück in der Hand hat, wie der Heilungsprozess verläuft.
Ich bin dankbar für gute Einsichten und Erkenntnisse, die mir immer zum richtigen Zeitpunkt durch den Kopf gegangen sind. Den Ehrgeiz, geduldig zu sein, und immer am Ball zu bleiben, waren Dinge aus meinem Berufsleben und diese Eigenschaften habe ich lange Zeit für mein Gesundwerden gebraucht.

Nachdem ich insgesamt zwei Jahre krank war, war es mein größter Wunsch, wieder richtig laufen zu lernen und ich bin nicht ins Berufsleben zurückgekehrt. Ich habe alle Möglichkeiten wahrgenommen, habe viel über alternative Heilmethoden gelesen, habe mich gesund ernährt und Rehasport betrieben. Ich gehe seit dieser Zeit regelmäßig in eine Gymnastikgruppe, die hoffentlich nach der Pandemie wieder aktiv ist. Den Jakobsweg kann ich nicht laufen, dafür bin ich nicht gesund genug! Aber auf der Via Regia, die von Görlitz nach Eisennach führt, bin ich 3 Jahre hintereinander immer für eine Woche gelaufen und ich bin zufrieden, dass ich mir solche manchmal auch anstrengende Wege zumuten kann.

Ich bin in meinem Leben angekommen und ich glaube, ohne diese schlimme Zeit, wäre ich nicht die, die ich heute bin!