Heike Arlt – Krakeln statt Grübeln- Wie ein Tumor ihr Leben veränderte


Freitag, 14.10.2016
Es ist da was in ihrem Kopf, das gehört da nicht hin. Das muss operiert werden. Nicht lebensbedrohlich, aber das muss raus. Und bitte nicht auf die lange Bank schieben, also nicht erst Weihnachten abwarten …

 

Uff … das waren die Worte meiner Neurologin. Was dann kam, konnte keiner ahnen … 2016 wurde sozusagen zu meinem Schicksalsjahr … dieser Tumor im Gehirn hat mich vollkommen ausgebremst, die ganze Dramatik würde den Rahmen hier sprengen, ich hatte auf jeden Fall großes Glück, dass es mir heute im Großen und Ganzen wieder gut geht, ich noch am Leben und kein Pflegefall bin …so eine Erfahrung macht demütig … bis Oktober 2017 hatte ich Zeit zum Nachdenken, ob das jetzt schon alles gewesen sein soll …

Heute, 2021 kann ich sagen, ja, es geht mir tatsächlich gut, aber nicht trotz der schweren Zeiten, die ich durchgemacht habe, sondern gerade wegen dieser schweren Zeit, weil ich daraus gelernt habe.

Ohne diese Erfahrung, diesen bekloppten Tumor im Kopf, gäbe es die EINFACHMACHERIN heute nicht!

Dabei war ich am Anfang meines Genesungsweges, einfach nur traurig, enttäuscht, manchmal wütend, weil einfach nix mehr wie vorher war. Insbesondere die körperlichen Einschränkungen machten mich richtig sauer. Was war ich gelaufen, täglich mit dem Rad zur Arbeit, beweglich, dank regelmäßiger Yoga-Praxis und voller Kraft, Kopfstand meine Lieblingsübung … und jetzt?
5 Minuten auf dem Ergometer in der REHA und ich war erschöpft. Auf dem Laufband wurde mir schwindelig. Ich fühlte mich wie ein Wrack.

Erst zu Hause, insbesondere in der auf mich abgestimmten Physiotherapie, ging es aufwärts. Der Körper war das eine, aber der seelische Schmerz war an manchen Tagen noch viel größer. Betroffen war ja mein ganzes Leben, mit allen Lebensbereichen.
Also habe ich mir ein Vision-Board erstellt. In der Mitte ein Foto von mir, wie ich wieder sein wollte. Drum herum habe ich Bilder geklebt, Sprüche, Worte, Ziele, Träume …
Ich habe im Internet rauf- und runter gegoogelt nach Lebensfreude … ich wollte unbedingt diese Traurigkeit loswerden und meine Leichtigkeit, meine unbeschwerte Fröhlichkeit wieder zurückhaben.
Heike, erinnere Dich doch, was kannst Du gut, was hat Dir immer Spaß gemacht … das Malen?
Mein Mann hat mir Skizzenbücher und Stifte besorgt und mir geraten, das ganze Erlebte „rauszumalen“ und so zu verarbeiten.

Mit Skizzen und Bleistift habe ich dann angefangen zu zeichnen. Gesichter von Ärzten, Schwestern und allen möglichen Menschen und Situationen, die mir in den Sinn kamen. Sehr detailgetreu und akkurat, so wie ich halt früher gezeichnet habe, wie man das im Kunstunterricht so gelernt hat.
Aber irgendwie hat mich das dann doch nicht weitergebracht.

Richtig los ging es erst mit den Buntstiften, den Buddies. Einfach drauflos krakeln, ohne Motiv, ohne bestimmtes Ziel, wie das Bild am Ende aussehen soll, einfach krakeln, wie ein Kind. Das hat mir geholfen. Das erste Mal hatte ich Ruhe im Kopf, keine blöden, keine negativen Gedanken.
Die habe ich manchmal aufgeschrieben und so lange drüber mit meinen Buntstiften gekrakelt, bis sie nicht mehr zu sehen waren.

Ich habe immer mehr experimentiert, mit unterschiedlichen Papieren, verschiedenen Farben, mit Wasser, mit Aquarellfarben, mit Finelinern, alte Papiertüten bemalt … ich fühlte mich zurückversetzt, in meine unbeschwerte Zeit als kleines Mädchen, als ich bei Oma im Büro die gebrauchten DIN A 4 Kuverts zum Bemalen bekommen habe und diese stundenlang von oben bis unten mit den Mainzelmännchen vollgekritzelt habe.

Was für eine Wohltat!

Gleichzeitig konnte ich mit den Buntstiften, wenn ich sie beidhändig benutzt habe, auch noch meine Koordination und Feinmotorik der Hände trainieren. Eine geniale Erfahrung! In der REHA konnte ich noch nicht mal mit dem Schlüsselbund klappern.

Der nächste Schritt waren Kraftwörter und Affirmationen, kombiniert mit Skizzen. Mein erstes Mantra war „Ene, meine Muh und raus bist Du“. Dazu hatte ich einen Kopf mit meinem Tumor drin gemalt.
Schließlich habe ich das Ganze noch mit Musik ausprobiert. Mal Hard-Rock, mal ganz leise Töne, Klassik, wonach mir gerade der Sinn stand und was mich beim Malen unterstützt hat, meine Gefühle „rauszuhauen“. Hard-Rock und Wut haben bei mir sehr gut funktioniert!

Meine wiederentdeckte und gelebte Kreativität hat mir so Schritt für Schritt aus meiner eigenen persönlichen Krise, aus dieser Negativität und Traurigkeit herausgeholfen.

Die Arzttermine, die Berichte und Diagnosen habe ich mir mit kleinen Bildchen verständlich gemacht. Lesen alleine ging nicht und habe ich so auch nicht verstanden. Manche Wörter hatte ich so noch nie gehört. Aber mit den Bildchen, mir das alles so aufzuzeichnen und Stück für Stück auseinanderzunehmen, so konnte ich mir die Inhalte besser verständlich machen.

Früher habe ich so gelernt. Sätze und komplette Absätze verkürzt und durch kleine Motive, Bildchen ersetzt. Heute nennt man sowas Sketchnotes. Damals habe ich das aus reiner Bequemlichkeit gemacht, weil ich keine Lust hatte, immer wieder und wieder seitenlange Texte durchzulesen. Und irgendwie war ich schon immer ein visueller Typ und konnte mir Bilder eher merken.
Und je besser es mir wieder ging, je mehr Fortschritte ich selber gemacht habe, umso mehr ist der Wunsch, das Bedürfnis in mir gereift, anderen mit dieser Methode Krakeln statt grübeln zu helfen. Wenn es mir so guttut, warum soll das bei anderen nicht auch funktionieren?

Machen, einfach machen, so einfach, dass die Hürde ins Tun zu kommen so niedrig ist, dass man keine Ausrede mehr hat und diese Tun auch mit Einschränkungen möglich ist. Das war die Idee, meine Idee, der Name für mein Vorhaben war geboren. EINFACHMACHERIN.

Menschen kreativ auf einem Stück ihres Lebensweges zu begleiten. Weil kreativ sein so guttut, die Seele tröstet und so heilsam sein kann.

Weitere Informationen zu Heike Arlt findet ihr auf ihrer Homepage www.Einfachmacherin.de.